Österreichs Justizministerin vertuschte Datendiebstahl

Ein Gefängniswärter nutzte seinen freien Zugang zu Datenbanken und gab Informationen über Häftlinge weiter. Nach etlichen Vertuschungsversuchen wurde der Skandal nun bekannt.

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2005 hat ein Justizwachbeamter in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ausführliche Datensätze über 8.500 Häftlinge kopiert und einem Häftling gegeben. Dies berichtet das Magazin profil. Hinweise eines anderen Häftlings, der die Datenschieberei aufdecken wollte, wurden nicht weiter bearbeitet, seine Post an eine Abgeordnete der Grünen wurde abgefangen. Schließlich informierte sein Anwalt das Justizministerium. Es folgte ein Strafverfahren, bei dem ein weiterer Häftling, der den Vorfall aufgedeckt hatte, die höchste Strafe erhielt.

Der Beamte bediente sich an der so genannten "integrierten Vollzugsverwaltung", einem Server, der personenbezogene Daten über tausende Häftlinge vorhält. Eine Kontrolle der Notwendigkeit der Zugriffe und der Verwendung der Daten gab und gibt es offenbar nicht. Der Mann konnte Daten über 8.500 Häftlinge herunterladen und auf einen USB-Stick speichern.

"Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Geschlecht, Familienstand, Religionsbekenntnis, Vornamen der Eltern, erlernten und ausgeübten Beruf, Aufnahme- und Entlassungsdaten, Verurteilungen und Lichtbilder der Häftlinge" umfassten die Datensätze laut Anklageschrift. Informationen also, an denen vom Erpresser bis zum Personalberater viele interessiert sind. Warum er den Stick einem Häftling gab, ist nicht ganz klar. Beide rechtfertigen sich, dass sie ein weiterer Häftling, den profil "Johann B." nennt, dazu angestiftet habe. Die Daten sollten "irgendeiner amerikanischen Hilfsorganisation" zukommen, die finanziell bedürftige Häftlinge unterstützt.

Das Urteil erging Ende August 2006, vier Wochen vor der letzten Nationalratswahl, bei der das von der FPÖ abgespaltene BZÖ um sein politisches Überleben kämpfte. Vor der Wahl war die BZÖ-Politikerin Karin Gastinger die zuständige Justizministerin. Sie informierte weder die Öffentlichkeit noch die betroffenen Häftlinge über den Datendiebstahl. Im Ministerium hatte niemand daran gedacht, dass von den Daten mehrere Kopien im Umlauf sein könnten. Erst als ein Teil davon profil zugespielt wurde, sah sich die aktuelle Justizministerin Maria Berger (SPÖ) veranlasst, etwas zu unternehmen. Sie will nun die Betroffenen informieren. Diese könnten unter Umständen Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich geltend machen.

Dass der Fall überhaupt vor Gericht kam ist dem hartnäckigen Einsatz von Johann B. zu verdanken. Einen früheren Brief über Daten-Indiskretionen, den B. an die damalige Grüne Nationalratsabgeordnete und jetzige Volksanwältin Terezija Stoisits adressierte, hatte die Gefängnisleitung zurückgehalten. Die Anweisung dazu kam vom inzwischen in den Ruhestand getretenen Sektionschef Dr. Michael Neider, der gegenüber profil Stellung nahm: "Wenn es um die innere Sicherheit der Justizanstalt geht, soll das nicht an die Öffentlichkeit dringen. Was kann die arme Frau Abgeordnete dafür, dass da jemand so einen Blödsinn zusammenschreibt." Aufgrund der Angaben im Brief hätte Stoisits die Polizei verständigen müssen. "Und da wir selber Exekutive sind, regeln wir so was selbst", so Neider wörtlich.

Erst als B. sich den USB-Stick organisiert und seinem Anwalt übergeben hatte, der ihn beim Justizministerium deponierte, setzten sich die Mühlen der Justiz in Bewegung. Der eigentliche Datendieb wurde wegen Amtsmissbrauchs zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und entlassen. Sein Häftlings-Komplize erhielt zehn Monate ohne Bewährung. Der unbequeme Aufdecker B. muss 14 Monate absitzen. (Daniel AJ Sokolov) / (ad)