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Medienwächter und das Internet

Gestern erschein bei Heise ein Nachrichtenartikel der mir fast die Haare zu Berge stehen liess. Dort steht unter anderem:

Norbert Schneider [, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW] meint, das Internet habe traditionelle, vor allem am Rundfunk ausgerichtete Modelle der Medienregulierung über den Haufen geworfen. Aus dem Privileg, Rundfunk zu gestalten, werde "ein bezahlbares Jedermann-Prinzip". Dies sei für Regulierer ein Albtraum, da "der Wert der Lizenz absackt".

Er hat das durchaus richtig verstanden: Das Internet hat den Vorteil dass nunmal jeder publizieren kann. Es ist niemand gezwungen die Sachen zu lesen, aber er kann - wenn er will. Das heisst, Rundfunk ist kein Privileg mehr (also Rundfunk im Sinne von "Ich erreiche viele Leute"), sondern eine realistische Sache. Es gewinnt nicht unbedingt der der die stärksten Möglichkeiten hat, sondern eventuell der Kreativere. Was ich durchaus gut finde, sonst gibt es schnell Kartelle oder Monopolsysteme.
Warum daran allerdings die Lizenz absackt kann ich nciht oder nur sehr schwer nachvollziehen. Es gibt doch gerade für das Internet neue Lizenzmodelle (für Software GPL+BSD-Style; für alle Arten von Medien die Common Creative License). Dort kann man ja genau definieren unter welchen Voraussetzungen man eine Verbreitung des Werkes erlaubt (oder auch nicht).
Weiterhin schreibt er:

Die zunehmende Medienherrschaft der Finanzinvestoren, die auf Profite und nicht auf kulturelle Vielfalt setzten, schüre die Sorge, dass mediale Angebote mit einem öffentlichen Mehrwert "unter Artenschutz gestellt werden müssen und Regulierung damit zu einer Art Denkmalschutz wird".

Der Herr zieht zwar teilweise die richtigen Schlüsse, kommt aber dann zu den meiner Meinung nach falschen Ergebnissen. Es ist gerade gut dass nicht die Finanzinvestoren die Oberhand haben sondern dass die kulturelle Vielfalt (in Form von Webseiten, Blogs und ähnlichem) die Möglichkeit hat sich zu artikulieren. Warum das jetzt eine Art Denkmalschutz benötige verstehe ich nicht so wirklich.
Und wenn ich mal sarkastisch sein darf:

"Es braucht im Internet auf Dauer ein vollziehbares Verbot von Pornographie, von Kinderpornographie sowieso."

Es tut mir leid, Herr Schneider, auch wenn sie das nicht wahrhaben wollen: Das Internet beziehungsweise die kommerzialisierung ist durchaus durch den Teil Pornographie (Vermarktung, Benutzung) groß und/oder bekannt geworden. Versuchen Sie bitte nicht, es einfach "wegzusperrren"; das klappt sowieso nicht. Viel lieber sorgen sie durch entsprechende Erziehung dafür dass auch Kinder den Umgang damit lernen. Bei Kinderpornographie sind wir einer Meinung, allerdings denke ich dass es viel sinniger ist die Produktion dieser Sachen zu verhindern als "nur" sich auf die Verbreitung zu konzentrieren.

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Kommentare

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flawed am :

Gemeint ist wohl die staatliche Lizenz, einen Rundfunksender betreiben zu dürfen.

Und natürlich ist es für Regulierer keine angenehme Vorstellung das Durchmittel Lizenz zu verlieren, weil die Betreiber auf nicht lizenzpflichtige Verteilungswege umsteigen können.

-thh am :

Gemeint ist - natürlich - die Rundfunklizenz. Und das ist aus Regulierungssicht ein Problem, weil das Lizenzierungsverfahren u.a. die Pluralität der Programmgestaltung sicherstellt, Meinungskartelle verhindert und daneben die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedinungen sicherstellen, weil (dauerhafte) Verstöße die Lizenz gefährden.

Und die fehlende Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen auch des Jugendschutzes - der durch Erziehung nicht ersetzt werden kann, weil er Erziehung erst ermöglicht - ist ein tatsächliches Problem, das einer befriedigenden Lösung noch harrt (die einfache Lösung über Inhaftungnahme der Anbieter und ggf. auch Verbreiter, die dann automatisch zu einer Regulierung führt, ist m.E. nicht wünschenswert, aber vielleicht am Ende die einzig handhabbare ...).

Rince am :

Ja, ich habe das misinterpretiert mit der Lizenz, gebe ich zu. Es ist die Rundfunklizenz. Aber gerade wenn es zur Vermeidung von Kartellbildung geht sollte das eigentlich den Regulierern doch gut zuspielen dass viele Leute "senden" können - eine Kartellbildung wird da umso unwahrscheinlicher.

Der Jugendschutz mag zwar ein Thema sein (meiner Meinung nach kann da zumindst sehr viel durch Erziehung gemacht werden), aber als Antwort darauf mit Zensur zu kommen (die Verbote kämen von staatlicher Stelle, also ist in diesem Fall Zensur das richtige Wort) sehe ich als falsch an. Sicher kann man nur mit entsprechenden Gesetzen die Erziehung ermöglichen - aber die Gesetze existieren ja bereits; damit sind die Normen definiert. Die Umsetzung ist ein anderes Thema, das sollte meiner Meinung nach über die Erziehung gemacht und nicht mit der Keule geschwungen werden.

-thh am :

Ein ausgewogenes Angebot erhält man nicht unbedingt dadurch, daß viele "senden"; das läßt nämlich offen, daß kapital- oder meinungsstarke Gruppen das Thema besetzen, indem sie entweder durch bezahlte Beiträge (erkennbar durch Werbung, versteckt durch Promotion, unerkennbar als "viral marketing") oder durch entsprechende manpower den Eindruck erwecken, es gäbe zu dem Thema nur diese oder jene Meinung. Zumal das Web 2.0 ja oft genug den Eindruck vermittelt, daß 90% mehr oder weniger eh nur beieinander oder einigen "Alphatieren" abschreiben.

Jugendschutz ist - nicht ohne Grund - einer der sogar in der Verfassung ausdrücklich genannten Gründe für die Beschränkung der Meinungsfreiheit. Erziehung kann nämlich nur da ansetzen, wo den Erziehenden die Möglichkeit bleibt, ihre Erziehungsvorstellungen umzusetzen. Das setzt voraus, daß ihre Kinder eben nicht unkontrolliert und jederzeit mit jugendgefährdenden Inhalten oder Sachen (im Sinne körperlicher Gegenstände) konfrontiert werden.

Natürlich ist es Aufgabe der Eltern, den Fernseh- und Internetkonsum ihrer Kinder zu steuern und zu begleiten. Aber dazu gehört es eben auch als Rahmenbedingung, daß nicht am Sonntagmorgen zwischen Donald Duck plötzlich ein Hardcore-Porno gesendet wird - die Eltern können und sollen nämlich auch nicht den ganzen Tag neben ihren Kindern sitzen, genauso wenig, wie sie die Kindern vor dem Fernseher parken sollen.

Gleichermaßen ist es Aufgabe der Eltern, ihre Kinder in einer Weise zu erziehen, daß sie den verantwortungsvollen Umgang mit Genuß- und Suchtmitteln lernen, ob das nun Koffein, Süßwaren, Alkohol oder Nikotin ist. Dazu gehört aber auch, daß der Hausmeister auf dem Schulhof der Grundschule keinen Wodka verkauft, und der Supermarkt das auch nicht tut - denn die Eltern können und sollen ihren Nachwuchs nicht ständig begleiten, auch wenn sie ihn nicht Tag und Nacht völlig sich selbst überlassen sollen.

Und wenn Kindern mit pornographischen, gewalttätigen oder anderweitig für sie ungeeigneten Inhalten konfrontiert werden, dann kann man da nichts "über die Erziehung machen", weil Kinder unterhalb eines gewissen Alters damit schlicht noch nicht angemessen umgehen können - ganz davon abgesehen, daß sowohl die Kindern (als auch die Eltern als Erziehungsberechtigte) ein Anrecht darauf haben, mit solchen Inhalten nicht unversehens konfrontiert zu werden.

Es ist insofern richtig, daß die Gesetze existieren; die Frage ist nur, was man denn tut, tun kann und/oder tun will, wenn sie schlicht ignoriert werden. Ein Verbot des Internets ist selbstverständlich keine Lösung; sich auf "das Netz ist nunmal eben so" zurückzuziehen aber auch nicht. Das Netz ist nämlich letztlich so, wie wir es machen und wie wir zulassen, daß es wird.

Hans Bonfigt am :

Es "sendet" ja (in aller Regel) keiner "im Internet". Man muß sich schon freiwillig Inhalte von einem Server holen.
Das ganze Geheule der selbsternannten Medienwächter: "Ich war im Puff und da gab es nackige Weiber ! Das ist Gefährdung der Öffentlichkeit !!1!"

Wenn man Wolfgang Hochsteins Gedanken weiterspinnt, müssen auch Telephonanschlüsse präventiv abgehört und zensiert werden, weil ja potentiell jugendgefährdende Inhalte damit "gesendet" werden könnten.

Die Lösung des Problems wäre dabei ganz einfach: Schulen vom Netz !
Wenn die Kids wieder ein bißchen Mathe lernen würden, idealerweise noch mit Spaß bei der Sache, dann käme das allen zugute.
Nebenher: In eine Videothek kommt man doch auch erst ab 18.


Gruß Hans

Hans Bonfigt am :

Juristen erklären das Internet, Folge 234658.
Seit wann ist eine individuelle und bidirektionale Kommunikation, wie sie zwischen Webserver und Client stattfindet, auch nur in irgendeiner Weise verwandt mit einer unidirektionalen öffentlichen Sendung ?

flawed am :

Wenn Du so fragst: seit Bandbreite billig geworden ist.

Hans Bonfigt am :

Naja, naja ...
Die "Bandbreite" (Pfui, geh' Dich schämen) ist zwar billig geworden, aber dafür gibt es flesh, pardon, flash. Das überkompensiert jeden Fortschritt.

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