Das BKA-Gesetz und seine Folgen
Der Spiegel ist meistens weniger kritisch, aber manche Interviews sind erschreckend gut. Da wird der rheinland-pfälzische Innenminister Karl-Peter Bruch eine sehr wichtige Frage gestellt - eine Frage bei der sich die Juristen selbst nicht einig sind; nämlich die Definition von Terrorismus. Die Antwort ist ... nun ja, lest selbst:
Das heisst im Endeffekt, wir haben Denunziation Tür und Tor geöffnet. Gerade das unsichere Medium Emai dafür...
SPIEGEL ONLINE: Und wann ist Terrorismus international? Schon wenn ein Verdächtiger eine Mail aus Pakistan erhält oder ausländische Zeitungen liest?
Bruch: Eine Mail reicht aus. Wenn das Mainzer LKA erfährt, dass jemand eine verdächtige Nachricht aus Pakistan bekommt, melden wir das ans BKA und verständigen uns, wer in diesem Fall den Hut aufhat. Das wiederum bemisst sich an den eben genannten drei Aspekten.
Das heisst im Endeffekt, wir haben Denunziation Tür und Tor geöffnet. Gerade das unsichere Medium Emai dafür...
Kommentare
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Juergen am :
-thh am :
Was das mit Denunziation zu tun hat, erschließt sich mir nicht wirklich. Das jemand in Verdacht gerät, der verdächtige E-Mails, Postsendungen oder Anrufe erhält, wenn das festgestellt wird, ist nicht wirklich neu oder gar überraschend.
Und daß man jemand in falschen Verdacht bringen kann, wenn man das will, ist auch nicht neu; da ist eine E-Mail aus Pakistan, die zudem von dem Account eines des Terrorismus Verdächtigen abgesandt werden muß, der auch überwacht wird ("irgendeine Mail" aus Pakistan reicht dafür ja nicht), sogar ein eher komplizierter Weg. Drogen oder Kinderpornos ins Auto zu legen oder schlicht eine falsche Verdächtigung bei der Polizei ("ich habe gesehen, wie er dieses oder jenes tat" oder noch besser "er hat mich vergewaltigt") ist in der Regel deutlich weniger (recherche)aufwendig und funktioniert schon seit Jahrzehnten ganz ohne Terrorismus und BKA-Gesetz. Das wird nur offensichtlich gerne - insbesondere aus Technikersicht - gerne übersehen.
Rince am :
Wenn nicht "irgendeine Mail" reicht sollte der Herr das auch nicht so in Interviews sagen. Ich habe in dem Fall ja nur zitiert - und ich gehe von aus dass das Interview gegengelesen wurde.
Und eine Mail zu generieren geht deutlich schneller und sauberer als "ich wurde vergewaltigt" - dabei werde im Zweifelsfall nämlich auch ich untersucht (körperlich) und ich muss mich dabei selbst auch den Fragen stellen. Bei einer Email geht das einfacher; Header faelschen, ein offenes Relay nutzen und gut ist.
-thh am :
Dass nicht "irgendeine Mail" reicht, ergibt sich doch schon bei verstehendem lesen. Die Frage war gestellt nach der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen LKA und BKA bei der Terrorismusbekämpfung, und so wurde sie auch beantwortet: es genügt eine "*verdächtige* Nachricht" aus dem Ausland. Käme sie aus dem Inland, wäre das LKA zuständig, kommt sie aus dem Ausland, ist das BKA zuständig. Danach war gefragt, das wurde beantwortet.
Die Frage, auf die Du hier in Deinem Blogbeitrag abhebst, nämlich was eine Mail denn überhaupt verdächtig macht, damit überhaupt ein Polizeidienststelle im Rahmen der Terrorismusabwehr ermittelt (und für den Betroffenen ist es ja nun wirklich egal, ob das ein LKA oder das BKA ist), wurde in diesem Zusammenhang weder gestellt noch beantwortet. Deshalb paßt Dein Beitrag auch nicht so recht zum Interview.
Natürlich reicht auch das Generieren irgendeiner Mail nicht aus; sie muß (a) verdächtig sein und (b) von einem Verdächtigen und/oder an einen Verdächtigen gesandt sein, denn von selbst erhält das LKA keine Kenntnis von irgendwelchem E-Mail-Verkehr. Das ist IMNSHO ein Nicht-Problem.
[Das teilt es übrigens mit dem Hype um die "gestohlenen Kontodaten" - heute morgen mußte ich im SWR einen Beitrag ertragen, der sich damit beschäftigte, daß diese geheimen (sic!) Daten jetzt alle im Umlauf sind (was ist denn an einer Bankverbindung um Himmels Willen geheim?!), und im Tone des Entsetzens verkündete, das einzige, was man tun könne, sei, aufmerksam seine Kontoauszüge zu studieren und unberechtigte Abbuchungen zu bemängeln (was sonst tut man denn mit Kontoauszügen?!), die dann ggf. nach Überprüfung durch die Bank wieder gutgeschrieben würden (Nonsens - beim Widerspruch gegen eine Lastschrift wird der Betrag schlicht wieder gutgeschrieben, geprüft wird da gar nichts). Sicher ist es unschön, wenn da mit Bankverbindungen (oder Adreßdaten, oder ...) Schindluder getrieben wird, aber das suggerierte Problem besteht in diesem Fall schlicht nicht.]
Rince am :
Ich sehe das Problem mit den Bankverbindugen durchaus - es sind zwar nur "einfache" Daten, aber der Schindluder der damit getrieben werden kann ist schon erheblich - es ist eine Menge Mehraufwand die man machen muss wenn man die Kontoauszüge untersuchen muss. Ja, das muss man sowieso, aber man muss jetzt aktiv drauf schauen ob nicht nur normale Sachen abgebucht wurden sondern auch verdächtige. Das wird immer mehr ein Problem werden und man kann es vermutlich nur dadurch "verhindern" dass man sich eine neue Kontoverbindung zulegt. Das kostet Aufwand, und zwar nicht unerheblich.
-thh am :
Der Knackpunkt ist doch, daß Bankverbindungen regelmäßig ebensowenig geheim sind wie Anschriften oder Telefonnummern. Man will ja typischerweise per Post oder Brief erreichbar sein und Geld überwiesen oder abgebucht erhalten, weshalb man diese Daten in der Regel aktiv verfügbar macht - und es hat sie ohnehin jeder, mit dem man einmal in Geschäftsbeziehung stand. Die Daten sind also per se alles andere als geheim (und auch nicht geheimzuhalten). Insofern genügt die regelmäßige Durchsicht der Kontoauszüge, die man ohnehin durchführen muß. Klar, wenn man dauernd unberechtigte Lastschriften findet, die man reklamieren muß, kann das nervig werden, keine Frage.
Rince am :
flawed am :
Ab einem gewissen Verteilungsgrad ist es für einen selbst schlicht stressfreier ein persönliches Datum einfach als de facto öffentlich anzusehen, und Anschrift und Kontonummer sind dabei die Spitzenkandidaten.