Nachdem ich die letzte Woche in Hamburg Urlaub gemacht habe war es naheliegend, den Urlaub um einen Tag zu verlängern um in Kiel der
Sommerakademie des
Unabhängigen Landszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein beizuwohnen; insbesondere wo Carola und Boris dort auch hinwollten, ich also nicht einmal eine Zugfahrt respektive Übernachtungsmöglichkeit suchen musste - sehr praktisch
Wir kamen rechtzeitig um im zweiten Saal Platz zu nehmen - nach der Anmeldung war der erste Saal bereits voll mit Interessierten, während der zweite Saal fast leer war, wir über Beamer und Lautsprecher den Referaten gut folgen konnten.
Der Begrüßung von Thilo Weichert (angenehme, lockere Rede) folgte ein Vortrag von Uwe Döring (Justizminister), der im großen und ganzen die beiden "Seiten" bat doch mit den Extrem-Positionen aufzuhören sondern auch aufeinander einzugehen. Eine - meiner Meinung nach - vernünftige Haltung. Leider kam direkt danach der Präsident des BKAs, Jörg Ziercke, der wiederum der Meinung war dass alles gemacht werden müsse was gemacht werden könne - und rhetorisch geschickt (ohne dies explizit zu erwähnen!) einflocht dass das Prinzip der Unschuldsvermutung nicht mehr länger gültig sein dürfe.
Soren Duus von IBM stellte dann die von IBM entwickelten Systeme zum Thema Datenschutz und Überwachung/Patientenschutz vor. In mir hinterliess der Vortrag ein ungutes Gefühl - wirklich überzeugt hat mich keine seiner Lösungen wo behauptet wurde der Patient wäre der Herr seiner Daten; die Daten werden doch weiterhin zentral gespeichert...
Zwei Mitarbeiter der deutschen Telekom AG haben dann gut und etwas provokant dargestellt was die kommende Vorratsdatenspeicherung für die Firmen bedeutet - einerseits an Kosten die "mal eben" bewältigt werden müssen, andererseits wie oft sie für welche Straftaten benutzt werden wird wenn man die bisherigen Anfragen mal als Quelle nimmt. Terrorismus macht da 0.42% der Anfragen aus; etwas mehr als die Hälfte der Anfragen kommen wegen Betrugsdelikten. Und für diese 0.42% gibt man dann soviel Geld aus?
Prof. Douwe Korff beschreibt in seinem Vortrag wie die Überwachungssituation in England aussieht - auf 14 Personen zum Beispiel kommt eine Kamera, pro Tag wird man 300 mal von Kameras erfasst. Die Engländer überlegen auch, in die Bobby-Hüte Kameras einzubauen um alles filmen zu können. Zusätzlich wurde von vielen Leuten grundlos(!) eine DNS-Probe genommen und gespeichert - ebenso von vielen Neugeborenen. Wie die letzten Tage bekannt wurde wurden die Daten dafür aber schlampig gespeichert - falsche Namen bzw. Zuordnungen sind wohl bei jeder siebten Probe gespeichert worden.
Zu guter Letzt kommt Dr. h.c. Burkhard Hirsch zu Wort der darüber sinniert wie sich die Gesellschaft verändert wenn sie merkt dass sie überwacht wird.
Die Infobörsen fand ich ein wenig zu kurz, aber vielleicht auch zu unübersichtlich; es lagen leider nirgendwo Programme aus und der Beamer am Infotisch war öfters einfach durch Personen "verdeckt" und änderte seine Anzeige zu oft als dass man da hätte in Ruhe draufschauen können. Okay, im Netz war das Programm und so musste mein Handy als Programm herhalten. Für die Infobörsen war die Anzeige auch nicht ganz ideal; gut war dass jeder Infobörsenraum seine Farbe hatte, schlecht war dass nicht immer ein Raum und dessen Belegung auf einmal zu erkennen war - das hätte ich übersichtlicher gefunden.
Meine erste Infobörse war zum Thema Datenschutzmanagement am Beispiel der Polizei. Der Vortrag selbst war relativ unspannend - es wurde erklärt wie eine BSI-Sicherheitsprüfung mit möglichst wenig Personen bundesweit durchgeführt werden kann; jedes Land überprüft ein anderes Land nach formalen Kriterien. Der erste Versuch war wohl gut, aber verbesserungswürdig, die zweite (gerade ablaufende) scheint sehr viel besser zu funktionieren.
Meine zweite Infobörse hörte ich dann zum Thema Anonymität und digitale Identitäten; wo aufgezeigt wurde welche Firmen oder Stellen Daten versuchen zu sammeln, wo und wie man seine Identität besser schützen beziehungsweise so modellieren kann dass die verschiedenen Identitäten nicht verknüpft werden können.
Zu guter Letzt gab es noch eine Podiumsdiskussion, die zwar spannend aber weniger informativ war - auch wenn die von Herrn Bix gestellten Fragen gut und treffsicher waren, gab es doch bei den Zuhörern und -Fragern mehr Kommentare zu einem anderen Thema; nämlich ob sich die Gesellschaft oder der Staat gerade in der Hinsicht verändert dass die Politik sich immer mehr von den Menschen und deren Willen entfernt.
Den Abschluß macht dann Prof. Albert von Mutius, der in seiner halben Stunde gekonnt alle Vorträge und Redner zusammenfasst und den Zeigefinger erhob -aber auf eine Art die auch Nicht-Juristen klarmacht was in dem jeweiligen Vortrag das Problem war (wobei v. Mutius dabei meines Erachtens selbst objektiv blieb, er ist also wirklich auf jeden Vortrag kritisch eingegangen) und auch die Teilnehmer der Podiumsdiskussion dabei nicht ausließ.
Alles in Allem war diese Veranstaltung viel wert - ich habe einige Leute wiedertreffen können, die Vorträge waren spannend und die Vortragsfolien sind durchaus zum Lesen zu empfehlen - gerade der Vortrag von den Herren Döring und Korff kann ich nur empfehlen. Die
Vortragsfolien gibt es natürlich beim ULD.